
veröffentlicht in Fertility and Sterility im März 2025
Hormonbehandlung bei DOR: Neue Erkenntnisse für die Kinderwunschklinik
Die vorzeitige Ovarialinsuffizienz (Diminished Ovarian Reserve, DOR) stellt eine erhebliche Herausforderung in der assistierten Reproduktionsmedizin dar. Frauen mit DOR weisen eine reduzierte Anzahl und Qualität von Eizellen auf, was die Erfolgsraten von In-vitro-Fertilisation (IVF) und ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) beeinträchtigt. In ihrer systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse untersuchten Alessandro Conforti und Kollegen verschiedene therapeutische Ansätze zur Verbesserung der Ergebnisse bei Frauen mit DOR, die gemäß den POSEIDON-Kriterien definiert wurden.
Methodik der Studie
Die Autoren führten eine umfassende Literaturrecherche in den Datenbanken MEDLINE (PubMed), EMBASE und ISI Web of Knowledge durch, um relevante randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) bis Juni 2024 zu identifizieren. Die POSEIDON-Kriterien definieren DOR anhand eines Antralfollikel-Counts (AFC) von weniger als 5 oder eines Anti-Müller-Hormons (AMH) von weniger als 1,2 ng/ml. Ziel war es, die Wirksamkeit verschiedener adjuvanter Behandlungen und Stimulationsprotokolle zur Follikelstimulation und Eizellenentnahme in der künstlichen Befruchtung zu bewerten.
Hauptbefunde
Die Meta-Analyse umfasste 38 Studien, die verschiedene therapeutische Strategien untersuchten:
- Dehydroepiandrosteron (DHEA): Die Supplementierung mit DHEA führte zu einer signifikanten Erhöhung der Anzahl gewonnener Eizellen (durchschnittlicher Anstieg um 0,60 Eizellen). Allerdings wurden keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Anzahl reifer Eizellen, klinische Schwangerschaftsrate, Lebendgeburtenrate oder Fehlgeburtenrate festgestellt.
- Testosteron: Die Anwendung von transdermalem Testosteron zeigte eine signifikante Steigerung sowohl der Anzahl gewonnener Eizellen (durchschnittlicher Anstieg um 0,88 Eizellen) als auch der klinischen Schwangerschaftsrate (Odds Ratio [OR] 2,19) und der Lebendgeburtenrate (OR 2,19). Diese Ergebnisse könnten für Patientinnen in einer Kinderwunschklinik von Bedeutung sein.
- Hochdosierte Gonadotropine: Der Einsatz höherer Dosen von Gonadotropinen resultierte in einer erhöhten Anzahl gewonnener Eizellen (durchschnittlicher Anstieg um 1,57 Eizellen), ohne jedoch die klinischen Schwangerschafts- oder Lebendgeburtenraten signifikant zu beeinflussen.
- Delayed-Start-Protokoll: Dieses Protokoll, bei dem die GnRH-Antagonistenbehandlung zur Synchronisation der Follikelentwicklung vor Beginn der ovariellen Stimulation eingesetzt wird, führte zu einer signifikanten Erhöhung der Anzahl gewonnener Eizellen (durchschnittlicher Anstieg um 1,32 Eizellen) und reifer Eizellen (durchschnittlicher Anstieg um 1,17 Eizellen). Es wurden jedoch keine signifikanten Unterschiede in den klinischen Schwangerschafts- oder Lebendgeburtenraten beobachtet.
- Letrozol und Clomifen: Der Einsatz dieser Wirkstoffe zeigte keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Anzahl gewonnener oder reifer Eizellen, klinische Schwangerschaftsrate, Lebendgeburtenrate oder Fehlgeburtenrate. (Hier wurde Letrozol mit Clomifen verglichen – Peet)
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser Meta-Analyse deuten darauf hin, dass bestimmte therapeutische Ansätze, insbesondere die Supplementierung mit Testosteron und die Anwendung des Delayed-Start-Protokolls, positive Effekte auf die ovariellen Reaktionen bei Frauen mit DOR haben können. Allerdings bleibt der Einfluss dieser Strategien auf die klinischen Schwangerschafts- und Lebendgeburtenraten begrenzt.
Da viele Frauen mit DOR auf IVF oder eine Eizellspende angewiesen sind, sind weitere groß angelegte, gut konzipierte RCTs erforderlich, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit dieser Interventionen zu bestätigen. Eine personalisierte Hormonbehandlung und Spermienaufbereitung sind wichtige Faktoren für den Erfolg der künstlichen Befruchtung. Die Kryokonservierung von Eizellen könnte zudem eine Option sein, um die Chancen auf eine spätere Schwangerschaft zu erhöhen.
Fazit für die Praxis
Die Wahl der geeigneten Stimulationsprotokolle und adjuvanten Therapien sollte individuell erfolgen. Frauen mit DOR sollten sich in einer spezialisierten Kinderwunschklinik beraten lassen, um die besten Optionen für eine erfolgreiche IVF oder ICSI zu finden.
Dr. Peet, März 2025